next up previous
Nächstes: 5. Eintrag, Nach oben: Index , Vorheriges: 3. Eintrag

4. Eintrag

Belen - Santa Maria; Samstag, 16.November 2002 (escritora Sibylle)

Heute ist zwar Reisetag, aber wir können es gemütlich nehmen, da wir ausnahmsweise auf den Bus umsteigen. Vor uns liegt eine längere Strecke Naturstrasse, undwir wollen nicht zu viel Zeit verlieren, denn es plagt uns dieSorge, dass auf unserer Hauptetappe, dem Paso de Sico, das Wetter schlecht wird. So wählen die bequeme Tour, worüber die einen von uns auch nicht ganz unglücklich sind... Wir nehmen es also erst mal gemütlich mit Ausschlafen und Frühstücken.


Beim Begleichen der Rechnung erfahren wir auch den Grund, wieso es hier zweierlei Geld gibt, was uns bisher immer recht verwirrt hat. Vor ca. 4 Jahren haben einige Provinzen eigenes Geld eingeführt, da zu wenig staatliches Geld vorhanden war - wohl wegen der Kopplung des Peso an den amerikanischen Dollar. Diese "bonos" versuchen wir uns aber möglichst vom Halse zu halten, da wir diese nur in der jeweiligen Provinz gültig sind und wir diese doch relativ schnell jeweils wieder verlassen. Daneben gibt es  noch die "lecops", zusätzliches staatliches Geld, daran erkennbar, dass sie nur auf einer Seite wie Geld bedruckt sind, die andere ziert ein Text... ich muss sagen, finanziell gesehen ist es nicht gerade einfach hier.

Bus Belen-St. Maria
 Aber jedenfalls können wir uns Reiseproviant kaufen, mit den Bustickets dauert das etwas (wir bekommen sie kurz vor Ende der Fahrt). Wir stehen also 1 Stunde zu früh am Busbahnhof, um den Verlad der Fahrräder zu regeln. Andi lädt sie mit dem Bushelfer kurzerhand auf das Busdach - dank sei den mitgebrachten Reepschnürchen! So hoffen wir, dass sie die Fahrt unbeschädigt überstehen und verladen das Gepaeck im Inneren des Buses auf den Reserverädern.


Bis zur Abfahrt ist der Bus gerammelt voll mit Fahrgästen und viel Gepäck, zum Teil auch "Postsendungen", die unterwegs abgeladen werden. Unterwegs steigen noch etliche Leute zu und es wird so richtig eng. Zusammen mit der Hitze, den offenen Fenstern mit den schmuddeligen Vorhängen, die einem ins Gesicht wehen, der lauten Musik und der vollbehängten Frontscheibe steigt Nostalgie in Sibylle auf Erinnerungen an die Südamerikareise von 1997/98 erwachen. Andi ist mässig begeistert von dieser Art des Reisens und freut sich jetzt schon wieder auf das Pedalen. Der alte Mercedes kutschiert uns über Stock und Stein, teilweise durch mehr oder weniger trockene Bachbette. Die Fahrt dauert 5 Stunden für ca. 150 km. Zum Schluss sind wir noch die einzigen Fahrgäste und  verabschieden uns erfreut über die heilen Fahrraeder von Fahrer samt kleinem Sohn und Bushelfer (nur einen unserer Velosäcke, der zum Schutz unter ein Velo geklemmt war,  müssen wir als Verlust verbuchen. Das ist nur deswegen schade, weil wir sie als Unterlage für unser Zelt benutzen.).

In diesem kleinen Käffchen von Santa Maria finden wir direkt zu einem guten hospedaje, wo wir ein billiges Zimmer mit warmer Dusche bekommen. Wir waschen uns erst mal den Stassenstaub ab, bevor wir zu weiteren Taten aufbrechen. Der Besitzer scheint keinen besonderen Wert auf die Registrierung zu legen .. worauf wir es halt sein lassen und hoffen, von den Steuer- oder sonstigen Behörden nicht angeklagt zu werden. An der nahegelegenen Plaza (die Orientierung ist in fast allen Orten hier immer banal einfach: im Zentrum eine quadratische Plaza, von dort aus ist alles in ebenso quadratischen cuadras (Haeuserbloecken) angelegt) finden wir ein gepflegtes Restaurant, wo wir erst mal etwas Flüssiges zu uns nehmen und die beliebten Erdnüsse dazu kosten. Wir lassen es uns gut gehen bis zur Abendessenszeit um 21 h und fahren dann am selben Ort im gleichen Stil weiter, d.h. mit anderen Gerichten (Kräfte aufbauen für morgen, schliesslich kann es ja nicht immer im Bus weitergehen). Bemerkenswert wäre da noch das kleine Gewitter, das runter geht,
dem Staub nach zu deuten ein hier selten gesehenes Vorkommnis.

Santa Maria - Cafayate; Sonntag, 17.November 2002 (Andi)

Es ist wieder mal ein Frühaufstehertag: um 6 Uhr schellt das Biest. Wie die Diebe (fast) schleichen wir uns aus dem Haus (ohne Frühstück, das hier Desayuno heisst) und pedalen bei angenehm frischen Wetter durch das Dorf, dessen Ende eine riesige Fruchtbarkeitsgöttin oder etwas ähnliches ziert.
Dort müssen wir die Teerstrasse verlassen und den Hang entlang zum Fluss hinunter auf der Sandstrasse weiter. Als Schmankerl fahren wir mit den Velos durch den Fluss, der tatsächlich Wasser hat - auf der Karte ist er als “praktisch immer trocken” verzeichnet. Ob es ein Relikt des gestrigen Gewitterregens ist? Dafür dürfen wir nach dem Fluss wieder Teerstrasse fahren (das ist vielleicht ein wenig "schöngeschrieben" - mit Teer sparen sie hier manchmal, und so ist es dann eine hubbelige Sache mit so manchen Löchern) - aber nur bis zur Provinzgrenze: die Provinz Tucuman (wo es derzeit soviele Fälle von Unterernährung bei Kindern gibt) empfängt uns mit einer “Tiefsandstrasse”; das ein oder andere Mal bleiben wir halt stecken... Zwischen St. Maria und Quilmes

Quilmes von oben

Nach etwa 15 km treffen wir aber wieder mit einer anderen Strasse zusammen, welche eine bessere, harte Oberflächenbeschaffenheit hat. Wiederum aber nur für wenige Kilometer, bis die Abzweigung zu den Ruinen von Quilmes kommt. Das heisst für uns wieder 5 km bergauf auf Sand, hier wenigstens gut fahrbar. Quilmes ist uns schon einige Male begegnet: auf Bierettiketten. Dieses Quilmes war eine Stadt von Ureinwohnern, die bis zu 5000 Einwohner hatte und mit Burgen befestigt war. Um 1480 kamen dann die Incas, aber mit denen liess sich offenbar noch verhandeln. Mitte 16. Jahrhundert kamen dann die Spanier vorbei, und mit denen war offenbar weniger gut Kirschenessen. Am Ende nach diversen Scharmützeln wurden die verbliebenen 2000 Quilmesianer in den Hafen von Buenos Aires verfrachtet, und spaeter in ein Reservat, und von denen ist keiner und keine mehr uebrig. So hat Buenos Aires einen Vorort mit dem Namen Quilmes bekommen, in welchem der Hauptsitz der besagten Brauerei loziert.


Die Ruinen sind jedoch auch heute noch sehr beeindruckend, wenn auch teils mit Kakteen überwuchert (es sind die vom Typ Orgelpfeifen, und sie machen sich optisch meist nicht schlecht). Bevor wir allerdings diese selbst erkunden konnten, mussten wir die Bar/Comedor aufsuchen - auf der Suche nach Ess- und Trinkbaren, schliesslich ist noch Frühstückszeit. Der Besuch war es wert. Nicht nur, dass die elementaren Bedürfnissen gestillt werden, auch das Restaurant als solches ist lohnenswert. Es gäbe auch noch ein wirklich schönes Hotel dort, aber wir hatten eine andere Agenda...

Der Rest des Tages: 50 km Gegenwind bis Cafayate und ein platter Vorderreifen (Andi), der aber - wie sich später herausstellte - nur auf einen kleinen Pickser zurückzuführen war; er konnte mit einem Selbstklebeflicken in kurzer Zeit geflickt werden. Diesmal kein ruinierter Pneu!
Kakteendschungel

In Cafayate treffen wir im El Hospedaje ein, wo wir eine Nachricht von Sibylles ehemaliger Arbeitskollegin von der Ergotherapie vorfinden: sie sind ebenfalls heute angekommen. Wir hatten seit einiger Zeit per eMail versucht, einen für beide Reiserouten (wir von Süden nach Norden, sie in der umgekehrten Richtung) kompatiblen Treffpunkt zu finden. Das eigentliche Treffen findet dann eher zufällig auf dem zentralen Dorfplatz statt.

Cafayate ist ein mehr und mehr touristischer Ort, aber mit 8000 oder 9000 Einwohnern noch überschaubar klein. Aussenrum gibt es einige Weingüter, die keine schlechte Ware produzieren, wie wir herausgefunden haben. Am bekanntesten ist der Torrontes, ein ganz passabler Weisswein. Mit 1600 m Hoehe ist es das hoechstgelegene Weinanbaugebiet Argentiniens. 88 km, ziemlich flach.

Cafayate; Montag, 18.November 2002 (Andi)

Heute ist wieder Ruhetag. Das heisst, wir gehen ins Weinmuseum, ins Internetcafé, radeln mit unseren KollegInnen am Nachmittag zum Rio Colorado, der sogar genügend Wasser hat, um eine “Badewanne” zu füllen (zum Baden und anschliessend auf den umliegenden Felsen oder dem Sandstrand in der Sonne zum Trocknen) und suchen anschliessend, leider ohne Erfolg, Felszeichnungen. Immerhin sehen wir ein paar alte Steinmauern, die zu irgendeiner alten Ruine gehören.
"Felsenstrand" bei Cafayate
"Felsstrand" am Rio Colorado

Cafayate - Moldes; Dienstag, 19.November 2002 (Sibylle)

Wieder allein, machen wir uns früh auf die Socken und erleben auf der Strasse nordwärts zwischen den Weinanbaugebieten die Morgenstimmung und den Sonnenaufgang. Nach wenigen Kilometern finden wir uns inmitten von bizarren Felsformationen in rot, weiss, grün, braun und schwarz mit Namen wie Schlösser, Fenster, Obelisk, Haus der Papageien und Frosch wieder. Im sogenannten Amphitheaterkommen wir gerade recht für ein Privatkonzert von zwei Musikern. Die Akustik ist gewaltig.

Die Schlösser
Die Schlösser
Busch in der Quebrada de la Rio Condas
Busch in der Quebrada de la Rio Condas
In der Quebrada de la Rio Condas
Unterwegs in der Quebrada de la Rio Condas
Das Amphitheater
Im Amphitheater

Zwischendurch holen wir das Frühstück mit mitgebrachten Alfajores (Suessgebaeck, sehr feine Spezialität) nach. Dazu warmes Wasser. Und die Temperaturen steigen weiter..., bis sich Andi (nach Alemania) kurzerhand in die Fluten stürzt, also in den Bach setzt. Die nun nassen Klamotten kühlen wenigstens leicht im Gegenwind - und der Sand rieselt danach aus der Radlerhose. Kurz vor dem Hitzekoller treffen wir in La Viña ein und retten uns an einem Brunnen, indem wir die Köpfe unter kaltes Wasser halten.  Wir ziehen uns in ein Restaurant zurück, wo wir nicht nur viel trinken und etwas essen, sondern auch gleich ein Schläfchen machen. Um 17 h sind wir wieder reisefit und satteln unsere Esel von neuem. Noch 25 km, dann beziehen wir ein vergleichsweise teures (30 Fr.) und unfreundliches Quartier, immerhin mit Swimmingpool, wenn auch nicht ganz sauber. Nach etwas Verhandlungskunst und Zusammensuchen der Utensilien im ganzen Dorf serviert uns die Señora von einem kleinen Restaurant ein vegetarisches Abendessen. Wir geniessen dies bei Vollmond und fantastischer Geräuschkulisse auf der Terrasse. Beim Bezahlen muss die arme Frau wieder durch das halbe Dorf rennen, um uns Wechselgeld (auf umgerechnet 50 Fr.!) zu besorgen. 125 km, minus 400 m.

Moldes - Salta; Mittwoch, 20.November 2002 (Sibylle)

Weiteres Verhandlungsgeschick ermöglicht uns die Einnahme des Frühstückes vor 8:30 h, das heisst für velotechnisch günstige 7 h. Schon das Beladen der Velos treibt uns den Schweiss aus allen Poren, der Fahrtwind hilft dann auch nicht viel. Die Gegend ist nun wieder viel grüner und feuchter, d.h. auch schwüler. Bei Pausen war der Ort der Rast jeweils deutlich von unseren Schweissbächen gezeichnet. Deshalb legen wir schon bald ein zweites Frühstück ein mit zwei grossen Flaschen gaseoza (Limo). Auf dem Weg nach Salta fallen noblere Landhäuser auf, anscheinend befinden wir uns in einer reicheren Gegend. In Salta beziehen wir im Hostal Terra Occulta ein Doppelzimmer und verbringen den Nachmittag drinnen mit Abkühlen, da draussen ein ergiebiges Gewitter niedergeht. Zeit fuer Siesta. 65 km, leicht bergan.

Vorschau

Einige Ruhetage in Salta.

next up previous
Nächstes: 5. Eintrag, Nach oben: Index , Vorheriges: 3. Eintrag

... Sibylle y Andi, 20. November 2002, Salta, Argentina