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Die als gute Naturstrasse auf der Karte eingezeichnete Strasse entpuppt sich am Anfang als mit dünner Teerschicht (mit einigen “potholes”, Löchern variabler Tiefe) verziertes Strässlein, welche nach einem Staudamm in eine “waschechte” Naturstrasse uebergeht - ausgewaschen im wahrsten Wortsinn. Unsere Forststrassen jedenfalls sind ein wahres Vergnügen, aber da fahren wir auch selten mit soviel Gepäck. Nach einiger Zeit auf dem Strässlein, welches dafür durch grandiose Landschaft führt - ein Canyon mit roten Felsen, im Tal unten grüne Bäume und Sträucher - schleifen diverse Teile und geben die Velos nicht einfach identifizierbare Geräusche von sich. Nach gut 30 km kommen wir an einer Polizeistation an, die sogar die Pässe sehen wollen, und uns ausfragen nach woher und wohin (ihnen ist wohl recht langweilig), wo wir im Schatten eines Baumes den Zustand unserer Drahtesel wieder auf “leise”, d.h. normal, bringen können. Ausser verstellten Bremsen bei Sibylles Velo, einer Acht und einer losen Gepäckträgerschraube an meinem Velo war nichts festzustellen. Bilanz: 4 Stunden fuer 30 km. |
Wir sind jetzt wieder auf der Ruta 40, die vor nicht allzulanger Zeit geteert wurde. Dadurch kommen wir natürlich ungleich besser voran. Wie in den letzten Tagen dominieren auch hier die geraden Strecken, oft mehr als 10 km lang sieht man das Band der Strasse am Horizont verschwinden... Dieses Wegstück zieht sich an einem flachen Berghang entlang, und daher hat die Strasse eine Unzahl von Badenes, was so verlockend nach Baden klingt. Tatsächlich sind es nur Absenkungen der Strasse für “Bergbäche”, und die existieren vermutlich an 5 Tagen im Jahr. Jedenfalls sind sie auf dieser Strecke “pfurztrocken”. Wir sehen bis Santa Clara keinen Tropfen Oberflächenwasser. | ![]() |
Die andere Talseite bietet ein langsames, aber sehr farbenfrohes Spektakel: die Bergkette besteht aus verschiedenfarbigen und verfalteten Gesteinen, und mit dem weicher werdenden Nachmittagslicht und den Schattenwürfen bei tieferem Sonnenstand wird das Schauspiel noch schöner - oder ist es nur die Eintönigkeit, die uns dieses Ereignis erwähnenswert erscheinen lässt?
In einem der Badenas, verziert mit einer langen Bremsspur, sind die Löcher in der Strasse so tief, dass das Rütteln einen der Haken von Andis Gepäcktaschen abreisst. Aber alles halb so schlimm, das Problem hatte er vor vielen Jahren schon einmal, und eine Lösung ist bekannt.
Es wird langsam Abend, und wir überqueren die Provinzgrenze nach La Rioja (das klingt nach Wein, den es dort tatsächlich auch gibt; die Hauptanbaugegend ist aber die Provinz Mendoza, von der gegen 70 Prozent der Weinproduktion Argentiniens stammen - übrigens sehr empfehlenswert, den zu probieren) und treffen an einem weiteren Polizeiposten vor Santa Clara ein. Dort werden wir wiederum befragt - bisher wurden wir einfach immer durchgewunken. Die Leute sind aber wiederum sehr nett, und geben uns an, wo wir einen kleinen Laden finden. Unsere Wasservorräte sind nämlich schon sehr knapp (wir hatten nur gegen 5 l dabei an diesem Tag), und so sind wir ganz froh um eine riesige Flasche Fanta und ein paar Flaschen Wasser. Sogar Glace gibt es.
Unser Streckenziel werden wir heute nicht mehr erreichen - bis Villa Union ist es noch ein (kleiner) Pass und 40 km - und es ist bereits nach 6 Uhr. Gegenwärtig wird es hier kurz nach 8 Uhr dunkel. Wir pedalen den Pass hinauf auf der Suche nach einem guten Zeltplatz neben der Strasse. Das ist gar nicht so einfach in dieser Gegend, da es viele Bodenpflanzen mit grausigen Stacheln gibt: Dornenbüsche und Kakteen. Letztere werden zwar oft durch schöne Blüten verziert, zeigen aber teils wirklich furchterregende Stacheln - schmerzhafte dazu, wie Andi selbst erleben durfte. Velosandalen sind nicht das beste Schuhwerk für diese Landschaft. Das Problem stellt sich vor allem, wie man die Velos an die guten Plätze zum Campen bekommt - das Dornenzeug macht ja vor Veloreifen nicht Halt! Und zum Tragen sind unsere Räder einfach zu schwer. | ![]() |
Letztlich finden wir aber einen geeigneten
Platz, richten uns ein und kochen ein vorzügliches Eingangmenü
(Nudeln mit verdickter Spinatsuppe als Sosse - wirklich, das ist gut!).
Der Halbmond und ein leichter Dunstschleier schränken die Sicht
aufs Sternenzelt ein wenig ein, aber es reicht, um die Magellanschen
Wolken zu beobachten. Etwa 80 km.
Nach der Abfahrt vom Pass - die Strasse hat optimale Rollneigung - treffen wir an der Kreuzung auf die Tanksstelle, und die hat tatsächlich ein Cafe. Wir “zmörgelen” also, und überlegen, wie wir weitermachen sollen, als ein anderes Velofahrerpaar eintrifft. Das erste, welches wir auf dieser Reise antreffen. Sie sind Holländer und vor 6 Monaten in Quito, Ecuador, gestartet (Wir sind ja nur Kurzzeitreisende). Sie kommen von Norden und haben einen Teil der Strecken, die wir vorhaben, schon hinter sich. Sibylle unterhält sich mit ihnen, während Andi ins Städchen pedalt, um eine neue Sonnencreme zu finden - unsere hatten wir gestern verloren, aber sie war ohnehin fast leer. Irgendwie wissen die Leute hier nicht recht, für was man sowas wie Sonnencreme braucht, und so bekommt Andi lediglich “Apres Soleil”, und das fuer relativ viel Geld. Also werden wir einen Tag ohne Sonnencreme auskommen müssen. Bis hier sind wir mit langen Kleidern gefahren, aber mit zunehmender Wärme wird das sehr unangenehm. So schmieren wir uns nach der Verabschiedung von den Holländern an einer der Diffunta Correa (Denkmäler, die in ganz Argentinien verbreitet sind) mit dem stark “duftenden” Gel ein (wir haben Gegenwind, da riecht man das nicht so gut) und kämpfen uns die gegenüberliegende Talseite wieder gegen den Wind hinauf. Die Strasse wird immer schlechter, der Wind dafür immer stärker. Nachdem es keine Bäume etc. gibt, sind wir dem Wind natürlich völlig ausgeliefert, und neben Bremsen hat er noch eine weitere Funktion: er trocknet einen aus. Nach etwa 25 km nach der Tankstelle wird die Strasse eine Naturstrasse und windet sich ins Gebirge hinauf. Die Landschaft ist wiederum grandios, die Strassenbeschaffenheit indes weniger. Nachdem wir dann ein ladenloses Dorf passierten, war unsere Moral ziemlich angeschlagen. Als wir dann bei einem besonders schlechten Stück Weg die Räder schoben, kam ein Pickup vorbei, und fragt uns, ob wir nicht aufsitzen wollten. Er würde uns zum Pass mitnehmen, oder sogar bis Chilecito. In der Lage keine grosse Frage: die Räder aufgeladen und auf der Ladefläche aufgesessen. (Bemerkung von Sibylle: bitte Hut und sich selber festhalten, Gepäck gut anschnallen! Ist sonst aber ein Heidenspass!).
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Mit einem “Affenzahn” brausen wir der Passhöhe entgegen (etwa 25 km, 600 m Höhendifferenz). So verpassen wir zwar einige Fotomotive, aber schaffen es dafür bis in den nächsten grösseren Ort, Chilecito, bis zum Abend. Auf der Passhöhe auf 2020 m werden wir ausgeladen und können die Strasse hinunterrollen. Da immer noch Naturstrasse, zwar langsam und vorsichtig; wir stellen aber fest, dass wir offenbar am Anfang wirklich das schlechteste Stück der Strasse erwischt haben. Die entgangenen Fotos verknipsen wir also jetzt im Abstieg des “Cuesta de Miranda”, wieder ein tief eingeschnittener Canyon mit Kakteen-verzierten Hängen und einem richtigen Bach weit, weit unten... |
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Der Rest ist Rollen. Wir kommen im nächsten Haupttal fast ohne einen Pedaltritt an. Es bleiben uns noch 16 km leicht bergauf, bis wir in unserem Ziel ankommen. Hotel mit Garten und erfrischender Dusche... - und einem neurotischen Minihund namens Sanu. (Das klein bisschen schlechte Gewissen wegen unseres “Beschisses” wir von einem wunderbaren Glace zugedeckt.)
Heute ist
Ruhetag, der mit Wäschewaschen beginnt. Dazu spannen wir ein
Spinnennetz aus Reepschnueren im ganzen Zimmer unter Einbezug des
Schranks, der natürlich partout umkippen will, als das erste nasse
T-Shirt aufgehängt wird. Also wird er mit allen Taschen beladen,
die wir haben (es sind ja nicht wenig, und leicht sind sie auch nicht
gerade). So können wir alle unsere wertvollen Stuecke
aufhängen, nur kommen wir nicht mehr trocken zur Türe hinaus.
Bei den Temperaturen aber kein Problem. Zum Frühstücken kommen wir gegen Mittag in das Cafe Galileo, wo wir die Zeit verstreichen lassen mit Kaffee- und Saftschluerfen (Wir sollten hier erwähnen, dass Saft hier ein ausgezeichnetes Getränk ist, der in der Regel frisch produziert wird und nicht aus Tüten oder Flaschen stammt.). |
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Als es gegen 14:00 h heiss genug ist, setzen wir uns zum Museo Cablecarril in Bewegung, welches am Ortseingang, etwa 2 km vom Zentrum, entfernt liegt. Chilecito ist ja eine grosse Stadt (nach Eigenwerbung die zweitwichtigste der Provinz Rioja, aber vermutlich nicht die zweitgrösste) und hat gegen 26000 Einwohner. Das Cablecarril ist eine Seilbahn, die 1903 von einer deutschen Firma names Bleichert gebaut wurde und für die Versorgung einer Mine gut 3000 m über Chilecito gebaut worden war (Da Chilecito etwa 1100 m hoch ist, also auf über 4000 m Höhe!). Sie hat insgesamt neun Stationen, und konnte verschiedene Lasten transportieren. Neben Erz Nahrungsmittel, Wasser, Personen und weiteres. Dazu gab es einen Einklinkmechanismus, den es bei einigen Seilbahnen auch heute noch gibt. Eine Fahrt von unten bis Station 9 dauerte zwischen 4 und 6 Stunden. Leider fährt sie nicht mehr, ausser fuer seltene Anlässe auf einem Teilstück. Allerdings würde die Renovation wohl übermaessig viel Geld veschlingen, und das ist gegenwärtig hier wohl extrem knapp - und zudem für sinnvollere Aktionen nötiger. |
Zurück
am Hotel müssen einige Handgriffe an den Velos gemacht werden
(Andi kann sich bald als Velomechaniker bewerben), und unsere
Vorräte aufgestockt werden. Der Hund ändert inzwischen seine
Manie von einer Bell- und Fluchtneurose in eine “ich werfe mich an
euch”-neurose. Schwer zu sagen, welche zu bevorzugen ist. Auch der zweite Glacetest ergibt ein zufriedenstellendes Geschmacksbild. Unser Bankomatentest ist auch dieses Mal erst beim dritten erfolgreich - aber jetzt wissen wir, dass man mit einer EC-Karte das Cirrus-Network waehlen muss... Vor der Bank: eine Riesenmenschenschlange. Es gab offensichtlich Zahltag oder sonst eine Aktion, dass vielleicht die Leute wieder Geld von ihren Konten holen konnten (es gab oder gibt eine Abhebesperre). |
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Punkt 7 h bei Ladenöffnung finden wir uns im besagtem Cafe Galileo ein, wo wir einen guten Milchkaffee, Saft und Käsesandwich bekommen. Die Menschenschlange vor der Bank hat sich neu formiert und ist unvermindert lang! Dann sind wir startklar. Leichte Schussfahrt ausserhalb der Stadt, die Temperaturen sind angenehm, mit unserer Laune steht es also zum Besten. Durch Staub-, Dornen- und Buschlandschaft, aufgelockert durch kreischende Papageienrudel und ein Erdhörnchen, kommen wir zügig voran. Die Kakteen sind übrigens nebst den Stacheln auch eindrücklich in Grösse und Blütenpracht. |
Zu
optimaler Zeit (d.h. Hitze- und Essenszeit) treffen wir im Dorf Pituil
ein, wo es einen Laden gibt, hurra! Sie verkaufen uns ein grosses Cola
und servieren uns dazu eine Schnellpizza. Ein weiterer Vorteil bietet
das Lokal durch Schatten und Glace. Wieder Instand gestellt, macht uns
auch die Hitze auf der Weiterfahrt nicht mehr viel aus. Wir beobachten
viele Windhosen und es soll Leute gegeben haben, die sich das Hirn
darüber zerbrochen haben, ob diese Windgeschöpfe als Opfer
einer “Fire Hose Instability” enden - andere vertragen die Hitze besser. Wir passieren eine Diffunta Correa mit besonders vielen Wasserflaschen; hier wären wir wohl nicht verdurstet! |
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Am frühen Abend treffen wir dem Hinweis der Ladenfrau von Pituil und unter Mithilfe eines gelangweilten Senors in einer Touriinfo bei San Blas auf einem Campingplatz in Andolucas ein. Von unglaublicher Frische erweist sich der dahintergelegene Bach, in dem man baden kann. Rundum Felsen, Kakteen und sogar ein Kolibri. Der hiesige neurotische Hund kläfft uns unfreundlich an und wird glücklicherweise hinter Gitter gesperrt. Sollte allerdings wegen Nachtruhestörung zu Wasser und Brot verurteilt werden. |
So langsam machte uns (bzw. Sibylle im Speziellen) die Hitze trotz Nachschütten von 40-grädigem Wasser zu schaffen. Um 14.30 h treffen wir im ersten von zwei Dörfern, Londres genannt, ein, mit üblichem Dorfplatz und, zu unserer Rettung, einer kleinen Bar. Cola gibt es allerdings im ganzen Dorf nicht mehr und wir müssen auf Fanta umsteigen. Macht nichts, Hauptsache es kühlt und versorgt unsere eingetrockneten Körperzellen mit Flüssigkeit. Es gibt auch was zu essen - und der Schatten des Dorfplatzes restauriert uns wieder einigermassen. Wir nehmen die letzten 15 km in Angriff und finden in Belen mit etwas Durchfragen ein angenehmes Hotel, das Hotel Belen. Nun folgt das Bekannte: Erfrischende Dusche, ausruhen, trinken, Glace essen... da lacht das Herz doch wieder!
... Sibylle y Andi, 15. November 2002, Belen, Catamarca, Argentina; update (Bilder) 13. Januar 2002