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11. Eintrag

Estancia; Donnerstag, 19.Dezember 2002 (Sibylle)

Um 7 h gibt es Tagwache für Farmertouristen, die richtigen Farmer sind allerdings schon wesentlich früher arbeitstätig. Im Pickup geht es die kurze Distanz zum Corral, in dem die Stiere seit gestern abend sind und der Dinge harren, die da kommen. Bereits vor Ort sind die Gauchos, ihre Pferde angebunden, ihre Hunde erfolgreich auf Hasenjagd. Nun geht es darum, dass die Stiere im Einermarsch durch einen Gang gelotst, identifiziert und anschliessend in verschiedene Gehege aufgeteilt werden, um später auf die Weiden zu den Kühen gebracht zu werden. Die Stiere sind eindrückliche Kaliber und sogar die erfahrenen Gauchos scheinen das Treffen mit Vorsicht zu geniessen. Sie machen sich an die heikle Arbeit, auf ihre Art feinfühlig mit den Tieren, schnalzende Laute von sich gebend und teilweise wild gestikulierend. Die Stiere scheinen nervös und etwas eigenwillig zu sein, jedenfalls lassen sie sich nicht so leicht mit den Gattern voneinander trennen. Und die Gringos brauchen eine Weile bis sie erkennen, dass sie mit ihren leuchtend roten und orangen Jacken die Arbeit der Fachleute erschweren. Eigentlich wäre die Aufteilung erledigt, aber da einer der Gauchos mit seinen zugeteilten männlichen Wesen nicht zufrieden ist, werden einige Tiere mit etwas Nervenkitzel wieder von einem Gehege in das andere getrieben.

Dann bringen die Gauchos die Tiere auf ihre Weiden und wir haben Pause, die wir für einen Spaziergang in der nächsten Umgebung nutzen. Wir freuen uns über die wirklich schöne Gegend, die hügelig und weit um uns liegt. Die Sträucher werden demnächst blühen und die Hasen hoppeln friedlich (sie fühlen sich sicher und sind es anscheinend auch, denn sie vermehren sich unaufhaltsam laut Administrator Christian).

Am Nachmittag muss Christian Geschäftliches in der Stadt Bariloche erledigen und wir fahren mit, um uns den Touristenort etwas anzusehen. Dann holen wir die Köchin Teresa zu Hause nach ihrem Freitag ab und fahren einkaufen. Zwischendurch erwägen wir immer wieder die verschiedenen Varianten unserer Weiterreise und kommen dann doch zum Schluss, dass wir die Weihnachtstage bei Christian auf der Estancia verbringen, da es wirklich gemütlich ist und uns die "Mühen" des Reisens erspart. Deshalb fahren wir auf dem Heimweg auf dem Busterminal vorbei und besorgen uns Billette erst für den 27. Dezember mit direktem Schlafbus nach Buenos Aires. So, jetzt wären wenigstens die nächsten Tage geklärt.

Estancia; Freitag, 20. Dezember 2002

Wir haben Zeit zum Faulsein, derweil Christian um 4 h früh losgefahren ist, um sich Tiere anzusehen. Teresa beglückt uns mittags mit einem wundervollen vegetarischen Essen und wir sind rundum zufrieden.

Um 15 h werden die Geister rege und sie schwingen sich auf die unbepackten Drahtesel, um die Gegend auf der Ruta 23 nach Osten zu erkunden. Unweit von der Estancia bei dem halbverlassenen und wenig gebrauchten Bahnhof (ist auch nicht ganz klar, wieso ein Bahnhof mitten im Nichts steht) treffen wir auf den heimkehrenden Christian, der uns eine andere Route empfiehlt: Nach der Lagune führt ein kleiner Feldweg ein einsames Tal entlang. Die reiche Vegetation ist erfrischend und die Berghänge ringsum faszinierend in ihrer Schönheit. Es dauert jedenfalls eine ganze Weile, bis alles in allen möglichen Varianten in Andi's Fotokiste ist. Der Bach, der zwischendurch unseren Weg kreuzt ist meist nur zu Fuss querbar und beschert uns wiederholt ein ausgiebiges Fussbad. Am Ende des Weges befindet sich ein alter Puesto, ein verlassenes Haus, das einst von einem Gaucho bewohnt wurde, um die Gegend zu überwachen und betreuen. Gegenüber am Fels in der Höhe sehen wir einige Löcher, weiss gekennzeichnet durch den Vogeldreck. Dort hausen wahrscheinlich die Kondoren, von denen Christian gesprochen hat. Aber wir sehen keinen einzigen, nur etwas später einen Adler. Dann machen wir uns zügig an den Rückweg, denn der Sonnenstand sagt uns, dass die Zeit schon fortgeschritten ist. Wir werden allerdings noch mehrmals von fotogenen Objekten und dem nässenden Bach aufgehalten. Gerade noch dass wir es vor dem Essen in die Dusche schaffen. Und Teresas Essen ist so fein, dass wir einen Wein dazu brauchen.

Estancia; Samstag, 21. Dezember 2002

Schaf-Senalada 1
Schaf-Senalada 2Schaf-Senalada 3
Um halb sechs morgens geht es bereits mit dem vollbeladenen Pickup los auf die Schafweide. Die Gauchos treiben bereits die Schafe mit ihren Lämmern zusammen und Richtung Corral, wo wir gespannt in der Morgenfrische warten. Die mehr als 700 Tiere lassen sich nicht so einfach in den Corral treiben und so kommen wir zu Fuss und teilweise mit einem grossen Stoffband bewaffnet zum Einsatz. Es nutzt nichts, die Tiere büchsen mehrmals aus, geraten durcheinander, Mütter und Kinder müssen sich wieder finden und beruhigen und das Ganze geht von vorne los. Endlich im Corral werden sie gruppenweise in ein enges Gehege getrieben. 6 der Gauchos schnappen sich jeweils ein Lamm und halten es den anderen hin, damit ihnen eine Marke ins Ohr und eine Impfung gemacht und der Schwanz abgeschnitten wird. Nach dieser Vollmondnacht bluten die Kleinen etwas mehr als gewohnt und springen mit rotem Fell und ziemlich verstört jeweils davon. Es dauert einige Stunden, bis Gross und Klein wieder zusammengeführt und freigelassen werden kann.




Bei der Schafseñalada: Impfen, Markieren und Abschneiden der Schwänze der jungen Schafe.

Nach dem Mittagessen und einer Siesta fahren wir mit Christian durch den Westteil der Estancia, begutachten die Herden und sichten Guanacos, Kondoren, eine Hirschkuh und eine Eule. Unten am über die Ufer tretenden Fluss bewundern wir die blühenden Blumen und Sträucher und diskutieren eine Bewässerungsanlage, die Grundlage für ein gutes Weideland wäre. Leider macht ja der Regen meist westlich des Geländes der Estancia Halt.

Die Fahrt geht weiter nach San Carlos de Bariloche, wo wir trotz fortgeschrittener Stunde (21 h) noch einige Dinge erledigen wollen. So zum Beispiel suchen wir dringend Kontaktlinsen für Andi, dessen eine Linse ein trauriges Ende im Schraubverschluss der Lösungsmittelflasche fand. Zu unserem Glück hat gerade noch ein Optikergeschäft offen und die Linsen stellen sich als viel billiger als in Europa heraus.

Wir haben uns bei Teresa abgemeldet und gehen mit Christian in Bariloche in einem feinen Restaurant abendessen, wobei unsere Mägen jubeln. Bis wir allerdings wieder in der Estancia sind, ist es spät und der Fahrer hundemüde. Doch wir sind nicht die Letzten: Überraschend fahren Rita und Fabian, die anderen Gäste aus der Schweiz vor, zwei Tage früher als geplant wegen des Regens, der sich mit Hartnäckigkeit in den Bergregionen aufhält.

Estancia; Sonntag, 22. Dezember 2002

Wir zwei wollen einen zweitägigen Ausflug per Velo in Angriff nehmen, beäugen aber erst mal um 7 h das Wetter mit Argwohn. Nochmals eine Stunde schlafen, dann raffen wir uns auf und fahren nach einer aufwendigen Umpackerei und stärkendem Frühstück mit leichtem Gepäck und halbleichter Bekleidung los. Es weht uns ein eisig kalter Wind von 4° C entgegen und wir ziehen bald etwas über die Ohren und holen kurz später auch noch einen Fleecepulli und Handschuhe aus den Taschen. Natürlich kommt der Wind aus Westen, das heisst dahin, wo wir wollen. Wir brauchen satte 2 Stunden bis wir nur auf der Asphaltstrasse sind und das Fahren ist nicht wirklich ein Vergnügen. Wir entschliessen uns, von den 60 km in Regenrichtung nach Villa de la Angostura abzusehen und lieber nach links in die Stadt von Bariloche abzuzweigen. Die ist wenigstens in einer Stunde erreichbar und wir können uns in einer Pizzeria aufwärmen.

Den Nachmittag verbringen wir mit Schokoladeeinkäufen, denn dieses Produkt ist erstens gut und zweitens eine Spezialität von hier. Danach statten wir auch einem Internetlokal einen ausführlichen Besuch ab und machen uns um 18 h dick eingepackt wieder an die Rückfahrt. Unterwegs überholen uns Christian, Rita und Fabian mit dem Auto und wundern sich offenbar nicht sehr, dass wir bei dieser Witterung wieder in Richtung Estancia unterwegs sind... wir freuen uns ungemein auf die rettende warme Stube und Teresa hat zwei weitere KostgängerInnen zu verwöhnen.

Estancia; Montag, 23. Dezember 2002

Der Tag ist geprägt von Weihnachtsvorbereitungen. Derweil sich Christian um die Festtagslämmer kümmern muss, pflücken wir Holunderblüten für Sirup und machen Einkäufe in der Stadt.

Ausblick

Wir werden am 27. Dezember weiter nach Buenos Aires fahren - leider wieder mit dem Bus. Die letzten Tage werden wir bei Bekannten dort verbringen. Bis dahin erkunden wir die Estancia und das Umland und schauen zu, wie man so Sachen macht wie Lämmern Schwänze abschneiden oder Schafböcke zu kastrieren (und was man mit den “Produkten” alles kochen kann).

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... Sibylle y Andi, 23. Dezember 2002, Bariloche, Argentina
Update: 23. März 2003