Streckenweise führt parallel zur Strasse eine Art Feldweg. Über eine Zeit ist er viel besser befahrbar als die eigentliche Strasse. Wie erwähnt, zeigt die in munterem Wechsel Wellblech, Sandkisten, Felsen (das ist so ähnlich wie Kopfsteinpflaster, wo jemand nur jeden dritten Stein verlegt hat); mit anderen Worten: grottenschlecht.
Mit einem Mal zeichnet sich in der Ferne ein schwarzer Punkt auf der Strasse ab. Erst denke ich, ein Nandu oder sonst ein grosses Tier, aber es bewegt sich der Strasse entlang. Es entpuppt sich als ein Radfahrer, Deutscher, aus Augsburg, seit eineinhalb Jahren von USA her unterwegs (unter Auslassung Kolumbiens!). Er meint, die Strassen in Bolivien, was ja als Drittweltland gilt, seien besser gewesen als diese hier (er war erst seit 2 Stunden auf dieser genialen Strasse). Das darf man keinem Argentinier sagen.
Meine Moral leidet etwas, vor allem dann, als ich merke, dass ich deutlich länger als die 2 Stunden des Augsburgers zur argentinischen Grenzstation brauche. Allerdings ist die Strasse nicht grade motivationsfördernd, und der Wind wird auch immer stärker.
Gegen 15 Uhr erreiche ich die Grenzstation. Ein paar Lastwagen und ein paar Autos stehen rum, aber dank einer gewissen Effizienz (Vorsicht, Ironie!) dauert der Prozess eine Stunde. Dafür bekomme ich von einem netten Gendarmen meine Flaschen mit Wasser aufgeüllt. Es ist richtig gutes Wasser. Das von Susques war ganz weiches und schmeckte irgendwie nach Seife. Es gab einem immer das Gefühl von Magenspülung.
Auf den ersten Blick sah es von der Grenzstation am Salar nach einem kurzen Weg zum Paso de Jama aus. Es dauerte aber doch eine Stunde, bis ich die paar Kilometer und 200 Höhenmeter hinter mir hatte. Der Wind, natürlich von der falschen Richtung, hat mittlerweile für meinen Geschmack deutlich zu stark zugelegt. Am Paso, der die Grenze markiert, wird die Strasse zur Teerstrasse, und ein Schild zeigt die Entfernung nach San Pedro an: nur noch 157 km. Auch der Rotary Club hat eine Skulptur aufgestellt. In einer kleinen Pause geniesse ich, halb-windgeschützt, die Aussicht auf die Strecke des Tages. Eigentlich wollte ich noch 20 bis 30 km weiterkommen. Aber der Wind war so stark, dass ich nach einer halben Stunde einen Zeltplatz suchte. Er fand sich hinter einem Kieshaufen neben der Gaspipeline.
Zum Kochen zu faul, mampfe ich gesalzene Kekse und Nüsse. Bis gegen Mitternacht knattert das Zelt in etwas unangenehmer Lautstärke. Aber dann: Ruhe pur.
Dummerweise ist die Dichtung meiner Benzinflasche ein wenig undicht. Mit dem Ergebnis, dass die ganze Tasche, in der sie war, jetzt nach Benzin duftet. Einschliesslich Wasserfilter, Stirnlampe, ...
Kurz nach der Grenze gab es einen Mirador, was so eine Art Aussichtspunkt ist. Die haben eine Steinmauer rundum, so dass sich dort ein guter, geschützter Zeltplatz finden lässt. Davon gibt es auf der chilenischen Seite noch einige mehr.
Im wesentlichen folgt die Strasse einem breiten Tal, in dem noch ein zweiter Salar liegt (vermutlich Morales genannt), aber die Strasse stimmt hier nicht mehr mit meiner Karte überein), das nach Norden hin immer steiler ansteigt. Da windet sich auch die Strasse hinauf, um dann nach Westen abzubiegen und in eine kleine Quebrada zu führen. Der Wind hat schon wieder lästige Stärke erreicht, und wegen des Kanalisierungseffekts der Schlucht muss ich sogar ein Stück schieben.
Laut meinem Höhenprofil sollte das bis 4600 m hoch gehen. Der Höhenmesser ist schon weiter, und noch ist die Passhöhe nicht in Sicht. Er stoppt bei 4740 m. Dann endlich eine Abfahrt, allerdings mit schneidendem Gegenwind. Ich erreiche die Salina Pujas, wie eine Tafel neben der Strasse anzeigt. Am anderen Ende derselben steht ein beeindruckener Vulkan. Sehr steile Flanken. Die Strasse führt in der entgegensetzten Richtung weiter, man darf raten: gegen den Wind?
Das Tal macht einen Knick, ein Bach neben der Strasse wird breit und zu einer Sumpflandschaft. Es ist Salzwasser, wie die Flamingos in den Becken im Sumpf anzeigen. Auch dort gibt es einen Mirador. Wegen der Biegung des Tals kommt der Wind von seitlich bis hinten. Angenehm, weil die Strasse von etwas unter 4500 m wieder ansteigt. Sie erreicht den Scheitelpunkt aber erst nach einigem Auf und Ab, wieder gut 4750 m laut meinem Altimeter. Der Sturm ist mittlerweile so stark, dass ich bei ein paar Seitenwindpassagen absteige. Besonders aufpassen muss ich bei Lastwagen, die überholen, weil es mich gleich um eineinhalb Meter oder so dabei versetzt. Dummerweise höre ich sie wegen des Windes vorher fast nicht.
Eigentlich will ich nur noch eines: San Pedro heute noch erreichen. Mir ist die Lust nach einer Zeltnacht hier oben verloren gegangen. Durch den Wind ist es auch ungemütlich kalt geworden. Das Ziel war daher, um spätestens 18 Uhr an der Abzweiung zur Strasse nach Bolivien zu sein. Der Wind vereitelt das, und ich komme erst eine dreiviertel Stunde später dort an. 500 Meter weiter aber dann: die Kante, ich kann den Salar de Atacama 2200 Meter unter mir sehen. Es sind noch 40 km bis San Pedro, bis auf die letzten knapp 10 km alles bergab. Ein Genuss, vor allem, weil es mit jedem abgegebenen Höhenmeter auch wärmer wird. Die Strasse führt ziemlich genau nach Westen, so dass ich in die Sonne fahre. Die geht langsam unter (um 20:10 h war sie weg), was ein wenig blendete bisweilen. Weil die Leute hier die Sitte haben, zur Anzeige von Pannen Steine auf die Strasse zu legen, die dann manchmal liegen bleiben, ist das ein wenig lästig. Kurz vor San Pedro überholt mich noch ein Bus.
Das stellt sich als ungünstig heraus, als ich an der Grenzstation ankomme. Die Businsassen stehen alle vor mir an der Grenzabfertigung. Der Beamte nahm es sehr genau, und so zog sich das Ganze etwas in die Länge. Ausserdem mussten dann alle ihr Gepäck ausladen und in die Zollhalle bringen. Nach gut einer Stunde kam ich auch mal dran, habe mir aber den Zoll grosszügigerweise geschenkt: dazu war ich zu hungrig und zu müde.
So schnell als möglich fahre ich zum Hostal Katarpe, wo wir letztes Jahr auch waren (das spart die Sucherei). Allerdings sind die seit letztem Jahr oder weil Hochhochsaison ist, viel teuerer geworden, und verlangen jetzt 50 US$ für ein Zimmer mit eigenem Bad. Gegenüber Argentinien ein Preisschock. Vor allem aber sind die Leute auch nicht mehr so angenehm wie letztes Jahr (oder ist die beschönigende Erinnerung?). Nun gut, am Ende kann ich für zwei Nächte in einem Zimmer ohne Bad bleiben, dann ist es aber schon reserviert. Es ist mittlerweile schon nach 22 Uhr; nach einer kurzen, kalten Dusche geht es in das La Casona, wo ich Pizza und Ensalada Chilena bekomme, d.h. viele Zwiebeln.
Immerhin, geschafft. Paso de Jama in 5 Tagen. Hätte ich nicht gedacht.
andi, 2003-12-23