An der Grenze das gleiche Spiel wie immer. Es ist auch ein guter Platz zum Picknicken. Während ich das mache, kommt ein Wagen an mit einer Dreierfüllung Deutscher. Die wollen hier campen, sagt der Mann. Seine beiden Begleiterinnen seinen nicht so fit aus. Aber die hätten gestern am gut 500 m niedrigeren Salar de Maricunga schon ein wenig Kopfweh gehabt.
Am Westende der Lagune gibt es nochmal heisse Quellen. Aber mir macht der Wind Sorgen, der immer so gegen Mittag beginnt, merklich stark zu werden. Also fahre ich weiter, obwohl ein wenig Wasser sicher nicht geschadet hätte.
Von der Lagune weg geht es erstmal wieder bergauf auf eine Art Schulter, die dann in eine Schwemmebene abfällt. Dort zweigt ein Weg ab zum Ojos de Salado (in einiger Entfernung steht auch ein Haus). Am Ende der Schwemmebene geht die Strasse (idiotisch steil; d.h. schieben) wieder eine Rampe hinauf. Weiter ansteigend bis auf fast 4600 m folgt sie einem breiten Hang. Ziemlich genau am höchsten Punkt stoppen zwei entgegenkommende Autos und Kameras werden gezückt. Ich komme mir vor wie im Zoo... Es ist eine Gruppe österreichischer Bergsteiger, die auf dem Weg zum Ojos de Salado sind. Was haben die für eine Freude, mich hier anzutreffen!
Endlich geht es wieder abwärts. Der Wind hat schon wieder ausreichend Kraft gewonnen, einen gehörigen Bremsschuh zu spielen. Ausserdem gibt es hier eine Reihe von Badenes, also Furten von zur Zeit allesamt trockenen Bächen. Die sind meistens recht steil und sandig. Dafür entschädigt die grandiose Hochgebirgslandschaft. Laut Angaben sollten auch hier Penitentes zu sehen sein, aber ich sehe nur ganz kleine Felder recht weit weg von der Strasse. Der Agua Negra ist diesbezüglich viel interessanter. Dafür sind hier viele Vicunas und auch Guanocos zu sehen. Auf einen Puma warte ich aber vergebens... (die Chancen, einen zu sehen, sind aber auch sehr gering).
Die Strasse führt in eine etwa 4300 m hoch gelegenen Ebene. An deren Rand angekommen hält ein Kleinbus der Carabinieri neben mir. Die Gendarmen tragen Mundschutz, fahren aber mit offenem Fenster. Im Wagen ist alles mit einer dicken Staubschicht überzogen. Wohin ich denn unterwegs sei, und ob ich genug Wasser hätte. Ich bekomme ein Bidon mit Sprite aufgefüllt (erst muss ich den Rest Wasser darin austrinken). Das ist nicht die beste Idee, danach ist alles klebrig vom Zuckerwasser.
Seit dem Zusammentreffen mit den Österreichern erstaunlich motiviert strample ich weiter, der Wind macht mir gar nichts mehr aus. Die Strasse erreicht die Berge, die die Westseite der Ebene begrenzen und biegt vor diesen nach Süden. Weil die Sonne schon relativ tief steht, komme ich in den Schatten. Also muss ich noch ein Stück weiterfahren, um einen guten, noch sonnigen Zeltplatz zu finden. Heute ist das kein Problem. Zum Nachtessen gibt es Nudelsuppe. Langsam kann ich keine Nudeln mehr sehen.
Weiter geht es in die Quebrada del Rio Lama, der ein schönes grünes Tal inmitten der braunen Hügel geschnitten hat. Fast am unteren Ende der Schlucht angelangt, sehe ich (wieder) eine Herde Vicunas, einige davon auf der Strasse. Als ich mich vorsichtig heranarbeiten will, kommen von der anderen Seite zwei Autos entgegen. Da sind sie natürlich weg. Auch diese Autos halten an. Ein junger Mann steigt aus dem einen Wagen aus und fragt, ob sie mit mir ein Interview machen könnten. Ich komme mir vor wie im falschen Film. Er erklärt, dass er der Regionalleiter von Sernatur (Servicio National de Tursimo) in Copiapo, und der etwas beleibtere Fahrer ein Kameramann von Canal Trece (dem katholischen Fernsehsender Chiles). Und sie seien hier unterwegs, um Aufnahmen zu machen für die Noticias (Nachrichten; ich habe in Copiapo die Noticias angesehen, und die machen in den Sommerferien jeden Tag aus einer Region Chiles so einen Beitrag). Also gut, machen wir ein Interview. Es geht nicht lange, und ist recht bizarr. (Gesehen habe ich es nicht...) Als Lohn bekomme ich eine Flasche Mineralwasser.
Die Vicunaherde ist nicht weit weggelaufen, und als ich von den Sernatur/Canal Trece Leuten wegfahre, springt mir ein Vicuna tatsächlich vor die Linse.
Die nächste Zeit vergeht mit banalem Radeln am Salar Maricunga entlang. Tiere sind keine zu sehen. Am Nordende des Salars ist die chilenische Aduana. Hier sind offenbar eine Reihe Leute mehr beschäftigt als auf der argentinischen Seite. Erst zur Gendarmerie, dann zum Zoll und am Ende zu einem Herrn vom Landwirtschaftsministerium, dem ich erzählen muss, was ich alles an Esswaren dabei habe, und eine Art eidesstattliche Erklärung abgeben muss. Danach will er das Zeug sehen. Also packe ich meine Essenstasche aus. Dann ist er zufrieden und bringt mir dafür frisches Wasser.
Wie auf der Nelles-Karte erahnbar, muss nach der Aduana noch einmal ein Anstieg erklommen werden. Allerdings kann man nicht erkennen, was zu erwarten ist. Immerhin, die Strasse ist wirklich duro - es ist eine Art Zementbelag aus seltsamen Material. Leider fahren hier auch mehr Fahrzeuge - es sind Minen in der Umgebung. Aber die Lastwagenfahrer sind sehr rücksichtsvoll, und die Lastwagen sind neu, d.h. man findet sich nicht in einer schwarzen Russwolke wieder, wenn man einem begegnet. Immerhin geht es dann doch noch mal von etwa 3750 auf 4300 m hinauf. Aber dann: nur noch bergab bis Copiapo!
Rollenlassen kann ich es aber leider nicht: die Strasse hat immer wieder mal Sandkisten, und in den Kurven fährt man besser Schrittempo. Ein Stück weit von der Passhöhe stehen einige Betonruinen, und daneben leuchtet das Land wie ein Malkasten. Es riecht wie im Chemielabor. Weiss der Himmel, was das für Sachen sind, aber gesund sehen sie nicht aus. Als ich stehenbleiben will, um mir das anzusehen, macht es pling. Ein Feder von meinem Klickpedal liegt am Boden. Offenbar nicht das erste Teil, das verloren gegangen ist. Ärgerlicherweise habe ich die Pedale erst vor der Reise ersetzen lassen, weil die alten Shimanos schon etwas ausgeleiert waren. Der Velomech hat sie aber mit billigen Dingern ersetzt, die schon die ganze Zeit nicht richtig einzustellen waren. Und jetzt sind sie nach eineinhalb Monaten schon kaputt, wo die alten zig Touren und 7 Jahre gehalten haben! Es ist gut, dass der Velomech weit weg ist in dem Moment.
Die Strasse wird flacher und besser. Es geht zügig dahin, der Wind wird von der Steigung kompensiert. Etwa bei der Mina La Coipa der Gesellschaft Mantos de Oro, die hier nach Gold und Silber gräbt, finde ich am Eingang eines Seitentals eine Platz zum Campen. Irgendwelche Tiere haben hier Löcher in den Sandboden gegraben, aber wir kommen uns nicht in die Quere.
Bis auf einige landschaftlich interessante Passagen, vor allem El Salto, ist es pedalen mit Gegenwind. Ich bin dann recht froh, die Vororte von La Copiapo zu erreichen. Hotelsuchen, ein paar Kilo Staub abwaschen. Und dann: ein Bier!
Weil es dann den radlerischen Teil der Reise abzuschliessen gilt, kaufe ich noch eine Flasche Pisco und eine Cola für einen Piscola. Mit dem San Francisco sind die vier grossen Pässe zwischen Argentinien und Chile vollständig und das Projekt CuG, wenn auch in leicht modifizierter Form, erfüllt.
andi, 2004-01-13